Wer länger träumt ist kürzer tot
Laute Töne sind in „Morpheus’ Garten” ebenso wenig geduldet, wie das Handyklingeln auf einer Beerdigung. Um so überraschender wirkt es, dass heute im Speisesaal des renommierten Sanatoriums, in dem man sich lärm- und hörgeschädigten Menschen zuwendet, ausgelassene Stimmung herrscht: zum ersten Mal hat die Privatklinik ihre Türen für die Öffentlichkeit geöffnet und alle sind zufrieden.
Zumindest solange, bis plötzlich ein Schmerzensschrei die Gesellschaft beim Dinner aufschreckt: ausgerechnet ein Sanatoriumspatient mit Vorzeigequalität stirbt an Herzversagen. Ein Kunstfehler? Oder gar Missgunst kränkelnder Mitpatienten? Als sich herausstellt, dass über dem Opfer gleich mehrere dunkle Schatten zu schweben scheinen, wird erkennbar, dass der erfolgreiche Klinikbetrieb die Außenwelt mit dem Bild von einer heilen Welt zu narren scheint.
Auch als Weihnachtskrimi buchbar.
Gäste in diesem Mordfall wissen noch einiges mehr dazu
Zum Tag der offenen Tür in „Morpheus’ Garten” heißt Sie die Sanatoriumsleitung unter Dr. Gabriele Strecker und Prof. Elias Tiefensee herzlich willkommen! Als Förderer sind Sie eingeladen, nun mit Spannung dem entgegen zu sehen, was der Abend an Überraschungen noch bereithält.
Sie heißen Alma Hoppe und unterrichten am GeorgFriedrich-Händel-Gymnasium Deutsch und Englisch.
Zum Glück gibt es keinen ernsten Anlass für Sie heute das Sanatorium zu besuchen. Der eigentliche Grund ist vielmehr eine ehemalige Schülerin von Ihnen, die heute das Sanatorium leitet: Dr. Gabriele Strecker. Sie sind mächtig stolz darauf, dass Gabriele einen so tollen Lebenslauf hingelegt hat. Wobei Sie damals eher vermutet hätten, dass Gabys Mitschüler Edgar Licht die große Karriere hinlegen würde, denn er war mit Abstand Ihr bester Schüler. Mit einer Abi-Note von 1,0 und einem Stipendium für ein Elektrotechnikstudium verließ er damals frohen Mutes das Gymnasium. Zwei Jahre später folgte ihm Gabys Ziehschwester Paulina mit einem ähnlichen Zeugnis. Daran können Sie sich noch gut erinnern und finden es schade, weder von Edgar noch von Paulina je wieder etwas gehört zu haben. Vielleicht weiß ja Gabriele, was aus den beiden geworden ist…
Sie heißen Violetta Kiesewetter und sind seit etwa einer Woche in „Morpheus’ Garten”, um Ihren Tinnitus stationär behandeln zu lassen. Eine Besserung wäre sicherlich auch bald in Sicht, wenn man Sie nicht direkt neben dieser exaltierten Geigen-Greisin Zsuzsa – pardon: Madame Zsuzsa! – einquartiert hätte. Madame mag zwar als Dauergast einen Sonderstatus haben, das gibt ihr aber noch lange nicht das Recht, sich in ihrer Luxus-Suite noch spätnachts lautstarke Wortgefechte mit ihrem Schützling Lissy Kunze zu liefern. Soviel Sie in der kurzen Zeit mitbekommen haben, finanziert Madame den Aufenthalt der jungen Lissy. Natürlich haben Sie sich bei der Sanatoriumsleitung beschwert. Da zur Zeit aber kein anderes Zimmer frei ist, behelfen Sie sich einstweilen mit Oropax. Doch selbst die sind kein Schutz mehr vor dem Gebrüll, das sich die beiden Frauen erst gestern Abend wieder geliefert haben. Vor allem Lissy war nicht zu überhören: „Bilden Sie sich nicht ein, dass ich Ihnen gehöre! Ich bin ein freier Mensch! Ich mache was ich will und wie ich es will!”
Sie heißen Ralph Herrenkötter und sind Chefredakteur des wöchentlich erscheinenden „Deutschen Ärzteblatts”. Auch für Sie ist heute der Tag der offenen Tür in „Morpheus’ Garten” in gewisser Weise ein Jubiläum: denn vor genau 5 Jahren haben Sie, damals noch Redakteur, über die Eröffnung dieses Sanatoriums geschrieben. Es war Ihr erster Artikel! Was lag also näher, als den beiden Chefärzten Dr. Strecker und Prof. Tiefensee die Originalseite mit Ihrem Bericht von damals mitzubringen! Als kleine Aufmerksamkeit. Natürlich in einem edlen Bilderrahmen.
Sie heißen Paul Gillette und sind dem Sanatorium seit langer Zeit als großzügiger Förderer verbunden. Zum einen da Ihre Frau Paulette eine lange und innige Freundschaft mit der Sanatoriumsleiterin Dr. Gabrielle Strecker verbindet. Zum anderen, weil man ja nie weiß, ob man selbst mal ein Pflegefall wird. Und da ist es gut, sich in kompetenten Händen zu wissen.
Finanziell müssen Sie sich jedenfalls keine Sorgen machen: Als Erbe leben Sie recht gut von dem Erfindungsreichtum Ihres Großvaters King Camp Gillette, dem legendären Rasierklingenhersteller. Sie genießen es, jeden Morgen mit dem tollen Gefühl aufzuwachen, dass sich gleich 3 Milliarden Männer rasieren müssen.
Zum Anlass des 5-jährigen Bestehens von „Morpheus’ Garten” hat Gabriele vor, den Patienten des Sanatoriums eine neue Einrichtung zu schenken. Und bat Sie und Paulette um eine großzügige Spende. Die Summe bleibt allerdings bis zur Bekanntgabe Ihr Geheimnis!